Mit 18 Jahren wird man in Österreich volljährig, aber wann fühlen sich die Österreicher:innen tatsächlich erwachsen? Knapp die Hälfte (46 %) der jungen Menschen im Alter von 18 bis 29 Jahren in Österreich sagt von sich selbst: wenn man finanziell eigenständig oder aus dem Elternhaus ausgezogen ist – das gilt auch für die jungen Oberösterreicher:innen: für 44 % sind es die eigenen vier Wände, für 46 % die finanzielle Eigenständigkeit. Circa ein Drittel (Oberösterreich: 33 %, Österreich: 35 %) gibt den Berufseinstieg an, ein Fünftel (Oberösterreich: 21 %, Österreich: 21 %) nennt ein eigenes Haus bzw. eine Eigentumswohnung als Meilenstein[1]. Nur einer von zehn jungen Menschen in Österreich (11 %) gibt hingegen eine Eheschließung an, genauso viele tun das auch in Oberösterreich. Für Frauen in Österreich sind dabei, unabhängig von ihrem Alter, die erste Wohnung (53 % vs. Männer 43 %) und finanzielle Eigenständigkeit noch wesentlicher für das Erwachsenwerden als für Männer (Frauen 47 %, Männer 42 %). Zu diesen Ergebnissen kommt die UNIQA Finanzvorsorge-Studie 2024, die vom Marktforschungsinstitut Reppublika Research & Analytics durchgeführt wurde[2]. „Junge Erwachsene sollen voller Zuversicht in ihr selbstständiges Leben starten. Wann sie sich dafür bereit fühlen, ist individuell. Doch unabhängig davon, wann sich junge Menschen tatsächlich als erwachsen ansehen: Je früher man Verantwortung für die eigene finanzielle Zukunft übernimmt, desto besser – dafür möchten wir frühzeitig Bewusstsein wecken, ermutigen und auch dabei unterstützen“, erläutert Alexander Schinnerl, UNIQA Landesdirektor in Oberösterreich, den diesjährigen Schwerpunkt der Finanzvorsorge-Studie, die bei ihrer vierten Ausgabe einen besonderen Fokus auf das Thema „Erwachsen werden“ in Verbindung mit finanzieller Verantwortung und finanzieller Vorsorge legt.
„Finanziell erwachsen“ ist, wer keine Zuschüsse der Familie benötigt
Mehr als zwei Drittel der in Österreich lebenden Menschen (68 %) sehen junge Menschen auch in finanzieller Hinsicht als erwachsen, wenn das eigenständige Finanzieren von Wohnen, Lebensmitteln, Mobilität und weiteren (Fix-)Ausgaben ohne regelmäßige finanzielle Zuschüsse von Eltern oder anderen Personen möglich ist[3]. In Oberösterreich sind die Befragten ebenso dieser Ansicht (70 %). Frauen in Österreich ist dieser Aspekt besonders wichtig: Fast drei Viertel (73 %) stimmen dem zu, während bei den befragten Männern nur weniger als zwei Drittel (64 %) dieser Meinung sind. Hingegen ist für fast die Hälfte der Männer eine Vollzeitbeschäftigung eines der wesentlichsten Anzeichen für finanzielle Selbstständigkeit, aber nur für ein Drittel der Frauen (34 %). Sie legen wiederum mehr Wert darauf, sich nicht für Freizeitgüter (wie z.B. Kleidung, Elektronik oder Reisen) zu verschulden (Frauen 47 %, Männer 42 %). Eigenständiges Kümmern um benötigte Versicherungen ist für Oberösterreicher:innen überdurchschnittlich relevant, wenn es um finanzielles Erwachsenwerden geht (Oberösterreich: 53%, Österreich: 46%).
38 % der jungen Oberösterreicher:innen können Leben selbst finanzieren
Drei Viertel (Oberösterreich: 79 %, Österreich: 76 %) der 18- bis 29-Jährigen beziehen ein Einkommen aus einer beruflichen Tätigkeit, in Oberösterreich werden 19 % regelmäßig von ihren Eltern finanziell unterstützt, österreichweit sind es 20 %. Vier von zehn der jungen Personen (Oberösterreich: 38 %, Österreich: 39 %) geben an, sich ihr Leben nach eigener Einschätzung komplett selbst finanzieren zu können. Rund ein weiteres Drittel (Oberösterreich: 34 %, Österreich 32 %) sagt, sich das eigene Leben zum Großteil selbst finanzieren zu können. Nur 6 % der jungen Oberösterreicher:innen sagen, sich das Leben gar nicht selbst finanzieren zu können, doch immerhin sind es tendenziell weniger, als im Österreich-Schnitt (9 %). Weitere 22 % (Österreich: 19 %) geben an, dass dies nur zum Teil möglich ist.
Finanzielle Verantwortung geht mit alten Rollenbildern einher
Sowohl österreichweit (64 %) als auch in Oberösterreich (65 %) fühlen sich knapp zwei Drittel der befragten jungen Erwachsenen (sehr) sicher beim Überblick über die eigenen Finanzen. Bei der zeitgerechten Begleichung von notwendigen Zahlungen oder Rechnungen liegt dieser Wert in Österreich bei 63 % – in Oberösterreich ist er mit 58 % etwas niedriger. Beides gilt in Österreich insbesondere für junge Frauen, sieben von zehn Befragte geben dies an (vs. Männer: 6 von 10 Personen). Wenn es um das Beurteilen und Vergleichen von Finanzangeboten geht, sinkt der Wert jedoch auf ca. ein Viertel in Oberösterreich (Oberösterreich 27%) bzw. ein Drittel in Österreich insgesamt (35 %) – hier fühlen sich junge Männer in Österreich (39 %) aber noch sicherer als junge Frauen (30 %). Diese Ergebnisse lassen darauf schließen, dass noch immer alte Stereotypen vorherrschen: Frauen fühlen sich für das ‚daily money management‘, früher bekannt als die Haushaltskasse, und Männer für längerfristige Finanzangelegenheiten – wie Kreditverträge, Anlageformen oder Ähnliches – zuständig.
Top-Zukunftswünsche der jungen Menschen: Schuldenfreies Leben oder Urlaube weit vor Luxus-Artikeln
Bei der Frage nach den drei größten Wünschen für die Zukunft, was Materielles oder Finanzielles betrifft, kommt bei allen Befragten in Österreich ein schuldenfreies Leben an erster Stelle (50%), in Oberösterreich ist die Wichtigkeit sogar noch etwas höher (54 %). Darauf folgt der Wunsch, den aktuellen Lebensstandard halten zu können – dies geben 43 % der Österreicherinnen an, in Oberösterreich sind es mit 46 % sogar etwas mehr. Sowohl in Österreich insgesamt als auch in Oberösterreich ist der Wunsch nach vielen Urlauben bzw. Reisen auf Platz drei (Oberösterreich: 33%, Österreich: 35%). 2 % der befragten Menschen in Oberösterreich träumen von einem eigenen Boot[4] – ebenso viele geben dies in ganz Österreich an.
Auch bei jungen Menschen steht das schuldenfreie Leben auf Platz 1 (Oberösterreich 45 %, Österreich: 43 %). Mehr als ein Drittel (37 %) der jungen Oberösterreicher:innen wünschen sich genügend Geld, um die Familie unterstützen zu können, damit ist dieser Wunsch in Oberösterreich unter jungen Erwachsenen auf ähnlichem Niveau, wie unter 18-29-Jährigen durchschnittlich in Österreich (36 %).
Hoch im Kurs ist bei der jungen Zielgruppe in Oberösterreich auch ein eigenes Haus mit Garten im Grünen (40 %), dieser Wunsch ist hier ausgeprägter als es unter jungen Erwachsenen durchschnittlich in Österreich der Fall ist (34 %). Auch Urlaube und Reisen stehen hoch im Kurs (Oberösterreich: 32 %, Österreich: 35 %). Nur rund eine von zehn der jungen Personen (Oberösterreich: 8 %, Österreich 9 %) wünscht sich Luxusartikel wie etwa Luxus-Kleidung oder -Accessoires oder teuren Schmuck, junge Frauen in Österreich sogar tendenziell noch weniger (7 %).
Finanzielle Vorsorge im Aufwind: Bewusstseinsbildung zeigt Wirkung
Finanzielle Vorsorge wird 2024 weiterhin als sehr wesentlich erachtet. Diese ist – wie auch schon 2023 – sieben von zehn (71 %) der 16- bis 60-Jährigen österreichweit wichtig, in Oberösterreich liegt der Wert sogar bei 73 %.
Vier von zehn (39 %) der Befragten – sowohl in Österreich als auch in Oberösterreich – haben sich auch schon intensiv mit der eigenen finanziellen Vorsorge beschäftigt. „Im Vergleich zum Vorjahr gibt es in Österreich insgesamt einen sichtbaren Anstieg, der sich sowohl unter Männern als auch unter Frauen und auch in der jungen Zielgruppe widerspiegelt, wobei Männer sich schon intensiver mit dem Thema beschäftigt haben als Frauen“, analysiert Martina Oberrauch, Studienleiterin und Senior Research Consultant bei Reppublika Research & Analytics. (2024 waren es in Österreich gesamt 39 %, 2023 gesamt 30 % / 2024 Männer 45 %, 2023 Männer 33 % / 2024 Frauen 34 %, 2023 Frauen 27 % / 2024 18-29-jährige 37 %, 2023 18-29-jährige 32 %).
„Es ist gut und wichtig, wenn das ‚Vogel-Strauß-Verhalten‘ zurückgeht und Menschen ihre Finanzlage nicht einfach ausblenden, sondern Verantwortung dafür übernehmen. Geld bedeutet schließlich auch Freiheit, aber mangelnde Finanzkompetenz beschränkt oft den persönlichen Handlungsspielraum“, kommentiert Alexander Schinnerl die Ergebnisse. „Wir sehen, dass Bewusstseinsbildung erfreulicherweise wirkt, wenn auch nicht von heute auf morgen. Darum sind die Initiativen der öffentlichen Hand, im Schulsystem und nicht zuletzt die Beiträge der Finanzwirtschaft so wichtig und müssen intensiv fortgeführt werden.“
Konkrete Vorsorgemaßnahmen nehmen zu
Der Anteil der Personen, die bereits konkrete Maßnahmen für ihre eigene finanzielle Vorsorge getroffen haben, ist in Österreich ebenfalls leicht gestiegen – von 37 % auf 40 % (auf diesen Wert kommen derzeit auch die Oberösterreicher:innen), insbesondere unter Männern (von 40 % auf 45 %). „Im Jahr 2021 haben wir diese Studie zum ersten Mal durchgeführt. Danach befand sich der Wert immer auf Talfahrt, nun ist er zum ersten Mal wieder gestiegen“, betont Martina Oberrauch. Noch immer geben in ganz Österreich über ein Viertel (29 %) der befragten Personen an, über zu wenig Geld für finanzielle Vorsorge zu verfügen – die Oberösterreicher:innen liegen hier mit ihren Angaben gleichauf. Dieser Wert ist aber tendenziell sinkend (2024 waren es in Österreich 34 %). Obwohl sich diese Tendenz sowohl unter Männern als auch unter Frauen zeigt, geben Frauen in Österreich signifikant häufiger an, zu wenig Geld für finanzielle Vorsorge zu haben (34 % vs. Männer 25 %).
„Die Studie zeigt deutlich, dass Frauen im Bereich der Finanzvorsorge vor besonderen Herausforderungen stehen. Der Umstand, dass Frauen häufiger angeben, nicht ausreichend vorsorgen zu können, ist eng mit der bestehenden Einkommensungleichheit verknüpft. Das durchschnittlich geringere Einkommen von Frauen im Vergleich zu Männern, das mitunter nach wie vor auf eine höhere Teilzeitbeschäftigung aufgrund von Betreuungspflichten zurückzuführen ist, führt zwangsläufig zu einem kleineren finanziellen Spielraum für langfristige Vorsorge. Das bedeutet, dass noch an vielen Stellen geschraubt werden muss, um die Lohnschere einerseits zu schließen und andererseits besonders den Frauen auch Finanzwissen und ein diesbezügliches Selbstbewusstsein mit auf den Weg zu geben, um ihre Möglichkeiten zur Altersvorsorge zu verbessern“, erklärt Alexander Schinnerl.
Männer und Frauen setzen auf unterschiedliche Anlageformen
Am häufigsten nutzen die Oberösterreicher:innen Sparkonten bzw. Sparbücher – mit 65 % erreichen sie sogar den höchsten Wert aller Bundesländer (Österreich: 60 %). Auf Platz 2 der beliebtesten Anlageformen ist das Bargeld zuhause (Oberösterreich: 41 %, Österreich: 38 %), dahinter reihen sich private Lebens- bzw. Pensionsversicherungen (Oberösterreich 39 %, Österreich 37 %) ein. Bausparverträge werden in Oberösterreich tendenziell häufiger genutzt (35%, Österreich: 30%).
Bei den Anlageformen zeigen sich in Österreich insgesamt aber auch geschlechterspezifische Unterschiede: Frauen setzen demnach häufiger auf Sparkonten bzw. Sparbücher (63 % vs. Männer: 57 %). Fondsparen (Männer: 27 %, Frauen: 19 %), Aktien (Männer: 28 %, Frauen: 13 %), Kryptowährungen (Männer: 16 %, Frauen: 6 %) und Anleihen (Männer: 12 %, Frauen: 7 %) werden von Männern häufiger verwendet als von Frauen. Die junge Zielgruppe setzt überdurchschnittlich häufig auf Kryptowährungen (junge Zielgruppe Oberösterreich 16 %, junge Zielgruppe Österreich: 14%, 16- bis 60-Jährige gesamt: Oberösterreich: 9 %, Österreich: 11 %). Krypto ist auch bei jungen Männern in Österreich (18 %) deutlich beliebter als bei jungen Frauen (9 %).
Männer schätzen eigenes Finanzwissen deutlich höher ein als Frauen
In Oberösterreich schätzt nur etwa jeder Vierte (24%) der Befragten aller Altersgruppen das eigene Wissen zu Finanz- bzw. Veranlagungsthemen als (eher) hoch ein, ebenso wie in Österreich insgesamt (24 %). Der Anteil ist in Österreich im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen, wobei der Anstieg vor allem auf Männer zurückgeht. Mehr als doppelt so viele österreichische Männer (32 %) wie Frauen (15 %) schätzen ihr Wissen nämlich als (eher) hoch ein. Umgekehrt bewerten 35 % der Frauen, aber nur 22 % der Männer ihr Wissen als (eher) niedrig.
Diese großen Unterschiede bei der Einschätzung des eigenen Finanzwissens bestätigen, dass das Thema Finanzbildung in keiner Weise an Bedeutung und Dringlichkeit eingebüßt hat. Werden dem Kapitalmarkt einerseits noch immer sehr unfundierte Vorbehalte entgegengebracht, so besteht andererseits sehr wohl die Bereitschaft in extrem volatile Anlageformen – wie Kryptowährungen – zu investieren. Diesem widersprüchlichen Verhalten kann nur mit Wissensvermittlung begegnet werden.
Details zur Studie
UNIQA widmet sich intensiv dem Thema der finanziellen Vorsorge. Aus diesem Grund wurde 2024 bereits zum vierten Mal eine Studie durchgeführt, um zu beleuchten, welche Einstellungen, Meinungen, aber auch Barrieren es in unterschiedlichen Zielgruppen zum Thema finanzielle Vorsorge gibt. 2024 lag ein besonderer Fokus auf dem Thema „Erwachsen werden“ in Verbindung mit finanzieller Verantwortung und finanzieller Vorsorge, sowie auf der Zielgruppe der jungen Erwachsenen (18-29-Jährige). Weiters wurden Veränderungen im Vergleich zum Jahr 2023 analysiert.
Durchgeführt wurde die für Österreich repräsentative Studie vom Marktforschungsinstitut Reppublika Research & Analytics, das insgesamt 3.427 Personen befragt hat.
Methode
Computer Assisted Web Interviews (CAWI) im Talk Online Panel
Befragungszeitraum: 26.04. bis 03.06.2024
Befragte Personen: n = 3.207 Personen in Österreich (Repräsentativbefragung – 16 bis 60 Jahre)
Repräsentativ für Frauen, Männer sowie die österreichische Bevölkerung insgesamt (nach Geschlecht, Alter, Bundesland und Bildungsniveau).
Zudem stand die Zielgruppe der jungen Erwachsenen im Fokus und es wurden in der Gesamtstichprobe der 18-29-Jährigen 1.050 Personen befragt (inklusive 220 Personen Boost). Die Gesamtstichprobe der jungen Erwachsenen ist somit zusätzlich repräsentativ nach Geschlecht, Bundesland und Bildungsniveau.
[1]Bei einer Auswahl von maximal drei Meilensteinen.
[2]Befragungszeitraum 26.04. bis 03.06.2024, Computer Assisted Web Interviews, Gesamtstichprobe von 3.207 Personen zwischen 16 und 60 Jahren, repräsentativ für Männer, Frauen und die österreichische Bevölkerung insgesamt nach Geschlecht, Alter, Bundesland (darunter 526 Oberösterreicher:innen) und Bildungsniveau. Zusätzlicher Fokus auf die Zielgruppe der 18-29-Jährigen (repräsentativ für 18-29-Jährige in Österreich nach Geschlecht, Bundesland und Bildungsniveau).
[3]Bei einer Auswahl von maximal fünf Anzeichen für finanzielles Erwachsensein.
[4]Bei einer Auswahl von maximal drei Zukunftswünschen.